Zwangspfand….die unendliche Geschichte?

Die Suche nach dem Königsweg:  Weg von der Regulierung, hin zur Innovation? UBA-Studie erhitzt die Gemüter

von Monika Busch

In unserer Ausgabe 7/8/00 haben wir bereits ausführlich über die Situation „Zwangspfand oder alternative Lösungen” berichtet.  Mit der Vorlage der neuen Ökobilanzstudie des Bundesumweltamtes (UBA-II) Anfang August wurden nun wieder „tiefschürfende” Diskussionen ausgelöst. Einbezogen in die Studie wurden alle gängigen Verpackungen für Getränke, die von der Verpackungsordnung erfasst sind. Fazit der UBA-II: Mehrwegsysteme sind nicht immer anderen Verpackungen überlegen.

Dem Getränkekarton beispielsweise wird nahezu eine ökologische Gleichwertigkeit bescheinigt. Zudem wird angezweifelt, ob ein Zwangspfand tatsächlich Mehrwegsysteme stützt. Des Weiteren seien PET-Mehrwegflaschen den Glas-Mehrwegflaschen überlegen.

Nun denkt Bundesumweltminister Trittin laut darüber nach, „ökologisch vorteilhafte Verpackungen zur Mehrwegquote zu zurechnen”. Dieses hätte zur Folge, dass das drohende Zwangspfand kurzfristig im Jahre 2001 außer Kraft gesetzt werden würde. Eine langfristige Lösung würde dieses sicherlich nicht sein. Denn Dosen und Einwegflaschen wird der Verbraucher nicht aus seinem Einkaufskorb verbannen.

Gefordert ist nach wie vor eine Neuorientierung in der Verpackungspolitik. Die Zeit drängt, eine Einigung an den verhärteten Fronten scheint aber kaum in Sicht. Auch in den einzelnen Bundesländern – deren Zustimmung Trittin benötigt –  gibt es immer mehr Stimmen gegen die Einführung eines Zwangspfandes. Vorreiter ist die rheinland-pfälzische Umweltministerin Klaudia Martini mit dem „Martini-Modell” (Mindest-Abfüllmengen 1999). Wolfgang Jüttner, der niedersächsische Ressortchef, sagte in Die Zeit, dass er den Eindruck habe, dass sogar eine Mehrheit seiner Landeskollegen gegen ein Zwangspfand sei. Er selbst hält die Regelung für „ökologisch eher kontraproduktiv ”. Und der brandenburgische Umweltminister Wolfgang Birthler betrachtet ein Zwangspfand „eher skeptisch”.

Aus Sachsen ist zu hören, dass ein Zwangspfand sowie Abgaben auf Getränkeverpackungen abgelehnt würden, da dieses ökologisch und wirtschaftlich nicht vertretbar sei. Wieder einmal wird heftig gestritten. Beispielsweise wirft  der B.U.N.D  der UBA-II schwere Mängel vor. Die Untersuchung verzerre in unzulässiger Weise die Ökobilanz zugunsten von Einwegverpackungen. Deshalb fordert der B.U.N.D das Umweltbundesamt auf, die Untersuchung zu überarbeiten. Von der Bundesregierung verlangt der B.U.N.D die Einführung einer Verpackungsabgabe, um regionale Mehrwegsysteme zu schützen und zu fördern.

Starken Protest  vermeldet auch die Fachvereinigung Behälterglas. Die Ökobilanz enthalte gravierende Asymmetrien in Bezug auf die Repräsentativität der untersuchten Verpackungssysteme und der unterstellten Recylingverfahren, die verallgemeinernde Bewertungen nicht zuließen. Daher fordert die Behälterglasindustrie von der Politik, auf die durch die Zwangspfanddrohung entstandene Situation nun nicht mit einer übereilten Neu- oder Umdefinition ökologisch „guter” und „schlechter” Verpackungen zu reagieren. Favorisiert wird grundsätzlich von der Behälterglasindustrie das so genannte „Martini-Modell”. Denn auf diese Weise könne nicht nur ein Zwangspfand, welches Mehrweg eher schade als nutze, verhindert werden, sondern zugleich auch ein Zeitrahmen für die notwendigen Diskussionen geschaffen werden.

Die Partner des „Bündnis für Mehrweg” sind sich einig, dass es ein vordringliches Ziel der Umwelt- und der Wirtschaftspolitik bleiben müsse, ökologisch vorteilhafte Verpackungen zu fördern und gesetzlich zu schützen. Gefordert wird eine Abgabenlösung, die sich in ihrer Höhe am in der Verpackungsverordnung verankerten Pflichtpfand in Höhe von 50 Pfennig für Einwegverpackungen bis 0,5-l-Füllvolumen orientiert und zeitlich nicht später als zum 1. Juni 2001 in Kraft tritt.

Starke Kritik wird in einem Schreiben an Trittin (liegt der Redaktion vor) gegenüber dem Vorschlag des niedersächsischen Umweltministers Jüttner laut. Der neunprozentige Anteil an Kartonverpackungen aufgrund der UBA-II soll laut Jüttner zum jetzigen Status quo hinzugezählt werden, um dann einen neuen Mittelwert zu beschließen.

Aus der Sicht des „Bündnis für Mehrweg” bedeute dieses „eine Kapitulation vor denjenigen Machtkräften, die auf der einen Seite mit ihnen versuchen, die Quote herunterzufeilschen, auf der anderen Seite jedoch mit Vehemenz Fakten im Markt schaffen”. Ein weiterer wesentlicher Grund sei, dass bei der Ökobilanzierung lediglich die Verpackung als solche unter durchschnittlichen Marktbedingungen beurteilt würde. Das Füllgut, als wesentlicher Faktor, werde nicht mit in die Untersuchung einbezogen.

Der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) lehnt Trittins Vorschläge zur Mehrwegregelung ab und fordert: „Weg von der Regulierung hin zur Innovation.”  Der Kommentar von BDI-Präsident Olaf Henkel: „Die Verpackungsverordnung muss insgesamt auf den Prüfstand. Wir wissen, dass allein die Investitionen für die Rücknahmesysteme mindestens vier Milliarden Mark kosten würden.” Eine tragfähige zukunftsorientierte Verpackungspolitik müsse zu mehr Wettbewerb führen und nicht zur Senkung des Innovationsdrucks durch die Diskriminierung von Konkurrenten, wettert Henkel. „Die entscheidenden Potenziale für die Entlastung der Umwelt liegen nicht in der politisch motivierten Verschiebung der Marktanteile von Einweg zu Mehrweg, sondern in der Optimierung aller Verpackungssysteme und im Wettbewerb der Verpackungen. Notreparaturen bringen uns hier nicht mehr weiter”, bekräftigt Henkel.

Eine weitere Folge für Handel und Verbraucher sei, in den bisher streng hygienisch geführten deutschen Lebensmittelgeschäften mit Bergen von tropfenden und verdreckten Dosen konfrontiert zu werden, so Henkel weiter. Der BDI unterstütze deshalb weiterhin den Vorschlag des Landes Rheinland-Pfalz (Martini-Modell), weil dieser den erforderlichen Zeitrahmen für eine grundsätzliche Diskussion über eine Neuorientierung der Verpackungspolitik eröffne.

Die Bundesvereinigung Deutscher Handelsverbände (BDH) fordert ebenfalls „Markteingriffe endlich zu beenden  und eine radikale Neubewertung der Getränkevorschriften in der Verpackungsverordnung”.

Eine starre Mehrwegquote würde weder den veränderten technischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen noch den neuen Konsumgewohnheiten und Marktanforderungen gerecht werden. Als Mindestforderung müsse der Getränkekarton in die heutige Regelung mit einbezogen werden. Denn dieses schaffe den nötigen Freiraum, um eine grundlegende Reform vornehmen zu können. „Wenn in den Aufbau einer Rücknahmelogistik investiert werden muss, werden sich logistisch schwerfällige Mehrwegsysteme kaum am Markt halten können”, so der Standpunkt des BDH. Auch der Deutsche Industrie-und Handelstag (DIHT) spricht sich deutlich für eine „umfassendere Überprüfung der deutschen Verpackungspolitik- und -verordnung” aus. Zudem würden europarechtliche Gründe und geändertes Kaufverhalten dafür sprechen. Eine Einweg/Mehrweg-Betrachtung oder Einteilung in ökologisch vorteilhafte oder nicht vorteilhafte Verpackungen führe in eine Sackgasse und verhindere innovative Ansätze.

Die  Ernährungsindustrie (BVE) bewertet die von Trittin vorgeschlagene Zurechnung „ökologisch vorteilhafter” Einwegverpackungen zur Mehrwegquote ebenfalls nur als „Notlösung”. Notwendig sei, eine grundlegende Überprüfung und Neuausrichtung der Verpackungspolitik auf Basis der aktuellen ökonomischen und ökologischen Fakten. Deshalb wird auch hier das „Martini-Modell” unterstützt, um „Politik und Wirtschaft die Zeit geben, gemeinsam neue Wege in der Verpackungspolitik zu suchen”.  Die Arbeitsgemeinschaft Verpackung und Umwelt (AGVU) sieht „die Notwendigkeit einer grundlegenden Änderung der deutschen Mehrwegvorschriften noch in dieser Legislaturperiode”. Angesichts der vorgelegten Ergebnisse sind staatliche Eingriffe für die AGVU, wie sie entsprechend einer starren Quotenregelung vorgesehen sind, „nicht akzeptabel”. Die Bundesratsinitiative des Landes Rheinland-Pfalz wird von der AGVU sinnvoller als ein Zwangspfand betrachtet, das nach Ansicht der AGVU Verbraucher und Wirtschaft erheblich belasten würde, ohne dem Umweltschutz zu dienen.

Eine durchgeführte Emnid-Untersuchung im Auftrag des Magazins Der Spiegel kommt zu dem Ergebnis, dass rund zwei Drittel der Bundesbürger ein Pfand von 50 Pfennig auf Getränkedosen befürworten. 69 Prozent der Befragten plädierten für die Pfandpflicht.  Jedoch sagen diese Ergebnisse nichts darüber aus, dass bei einem Zwangspfand Mehrweg stärker frequentiert werden würde.

Also, auf in die nächste Runde!