Liebe Leser, in dieser Kolumne kommen Sie zu Wort. Schreiben Sie Viktor, er wird auch niemanden verraten. Großes Ehrenwuff!

Viktor

Wo ist die deutsche Weinkultur?

Kürzlich weilte ich mit Frauchen und Herrchen auf dem Nürburgring. Großer Preis von Europa – Formel Eins vom Feinsten. Ich hatte noch nie so viele Menschen an einem Ort gesehen. Für einen kleinen Hund war dies ein Alptraum. Doch auch für Frauchen und Herrchen lief nicht alles rund. Abzocken, so nennen die Menschen das wohl in der Umgangssprache, war angesagt: Einfache T-Shirts 120 Mark, Formel-Eins-Kappen 80 Mark, Fahnen über 600 Mark, eine Tasse Kaffee 12 Mark, eine Dose Bier 6,50 Mark und Wein – Fehlanzeige. Frauchen ist Wein-Fan. Sie brauchte nicht mehr Auto zu fahren und wollte in aller Ruhe ein gutes Glas Wein genießen. Sie hätte sogar über die Abzockermentalität der Buden- und Standbetreiber hinweggesehen. Doch inmitten der Eifel, quasi im Mittelpunkt der drei bekannten Qualitätsweinbaugebiete Ahr, Mittelrhein und Mosel-Saar-Ruwer, standen heimische Weine einfach nicht auf der Angebotsliste.

Ähnliches haben wir auch schon an anderer Stelle erlebt. In vielen deutschen Restaurants sind die Weinkarten ein bemerkenswertes Beispiel negativer Art für die heimische Ess- und Trinkkultur. „Leute mit echter Küchenkultur, das sind in Deutschland maximal zehn Prozent“, sagte einmal ein Food-Journalist einer bekannten Feinschmecker-Zeitschrift.

Dabei ist es längst bekannt und wissenschaftlich bewiesen, dass regelmäßiger moderater Weingenuss die Gesundheit der Menschen fördert. Außerdem verfeinert das Glas Wein Speisen jedweder Art. „Ein tolles Essen ohne Wein – das ist wie ein Tag ohne Sonne“, sagt Frauchen immer.

Die Deutschen sind Weltmeister im Reisen. Die beliebtesten Ferienziele liegen im Mittelmeerraum: Italien, Spanien und Frankreich. Dort genießen die Deutschen Sonne, Sand und kulinarische Leckereien. Dazu gehört immer Wein. In der Heimat angekommen, fängt dann wieder das alte Leben an. Fast-Food und nullachtfünfzehn Esskultur haben Hochkonjunktur.

Warum eigentlich in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah? Beim Besuch in den deutschen Weinbauregionen kommen Genießer voll und ganz auf ihre Kosten. „Regionale Küche kombiniert mit heimischen Weinen“, dies ist das Erfolgsrezept vieler Starköche in deutschen Landen. Aber auch im globalen Geschäft können Deutschlands Weinerzeuger hoffen, wieder zur Top-Besetzung des weltweiten Ensembles zu gehören. Die so genannten „ABC-Trinker“ nehmen zu. ABC-Trinker – die Abkürzung kommt aus dem Englischen „Anything but Chardonnay or Cabernet“ – so bezeichnen Werbestrategen die Weinfreunde, die auf der Suche nach einem neuen Trendwein sind.

Buttrig, cremige Chardonnays und alkoholstarke Cabernets passen sowieso nicht so gut als Essensbegleiter wie ein delikater Riesling mit all seinen Geschmacks- und Aromavarianten. Die internationale Weinszene ist hier auf dem richtigen Weg. Der Masse der deutschen Verbraucher wäre ein etwas Mehr an Ess- und Trinkkultur zu wünschen. Vielleicht kommen sie ja noch auf den Geschmack.

Frauchen und Herrchen sind jedenfalls echte Genießer. Daher ist mein Napf stets mit dem Besten gefüllt. Und das ist für mich die Hauptsache.

Bis zum nächsten Mal!
Euer Viktor