Neue Dimensionen der Kundenbetreuung:

Multimedia-Supermarkt mit Info-Terminals und “sprechenden Regalen”

von Monika Busch

Eine neue Dimension der Kundenbetreuung  hat die Münchener friendlyway AG, zweiter Bundessieger des Start-up Wettbewerbs von McKinsey, Sparkassen und dem Magazin Stern, eindrucksvoll in einem gemeinsamen Projekt mit der Rewe Nord vorgestellt. Der „multimediale Supermarkt” wurde im neu erbauten Stadtteil Kronsberg in Hannover zeitgleich mit dem Expo-Start eröffnet.

„Wir verbinden  e-commerce mit dem stationären Handel”, erläutert friendlyway Vorstandssprecher Andreas Stütz. „Freundlichkeit definieren wir als das Übertreffen von Erwartungen”,  betont Stütz. Und dieses bedeutet, dass der Kunde die richtigen Informationen nicht nur am richtigen Ort, sondern auch zum richtigen Zeitpunkt, unmittelbar vor der Kauf- oder Informationsentscheidung erhält.

Im neuen „Hightech-Shop” im Stadtteil Kronsberg wird die individuelle Beratung des Kunden durch „sprechende Regale”, Internet-Terminals sowie virtuelle Verkäufer unterstützt.  Im Eingangsbereich des 1.600 qm großen Supermarktes hat die friendlyway AG, als Anbieter von Internet-Dienstleistungen am PoS und anderen hoch frequentierten öffentlichen Standorten, zwei frei zugängliche, interaktive Internet-Terminals   friend@public aufgestellt.

Hier kann der Kunde surfen, die Einstiegseiten bilden das Internet-Angebot der Rewe Nord. Installiert ist weiterhin das Internet-Angebot der buecher.de.Durch eine relativ leichte Terminal-Bedienung wird Neugierde geweckt und Berührungsängste mit dem Medium Internet abgebaut.

In der vorbildlich aufgebauten Getränkeabteilung befindet sich zudem ein virtueller Verkäufer für Wein. Der Kunde hält den Bar-Code der Weinflasche an das Terminal. Der virtuelle Verkäufer erkennt das Produkt, ruft automatisch Informationen aus dem Internet auf und stellt diese auf einem Flachbildschirm dar oder spricht sie mit einer elektronischen Stimme vor. Informieren kann der Kunde sich über Anbaugebiet, Alkoholgehalt und Traubensorte. Zudem werden auf Wunsch gleich Kochrezepte mitgeliefert. Etwas gewöhnungsbedürftig ist das „sprechende Produktregal”. Hier bietet das Münchner Unternehmen mit dem friend@call ein sensor- und sprachgesteuertes Verkaufsunterstützungssystem für erklärungsbedürftige oder komplexe Produkte. Mittels eines für den Kunden völlig unsichtbaren Bewegungssensors, wird dem Kunden, wenn er sich unschlüssig vor dem Regal bewegt, eine Entscheidungshilfe angeboten.

Über eine interaktive Audiopräsentation werden zunächst Basisinformationen zum Produkt gegeben. Bei Interesse kann der Kunde durch Sprache oder Touch Screen sich die gewünschten Informationen selbst aufrufen.  Das „sprechende Regal” bietet beispielsweise drei bis vier Argumente, warum ein spezieller Balsamico doppelt so teuer ist, als andere.

Der Schall kann durch den Einsatz einer Sounddusche so fokussiert werden, dass nur die Person, die vor dem Regal steht, die Beratung wahrnimmt. Der „Supermarkt der Zukunft” verfügt auch über 72 Schließfächer (32 mit Kühl- und Gefrierkombination), die 24 Stunden am Tag für den Kunden außerhalb des Marktes zugänglich sind. Diese werden mit Lebensmittelbestellungen, die über das Internet getätigt werden, bestückt.
Auch die Marktforschung wird nicht vernachlässigt. Bevor der Kunde den Markt wieder verlässt, kann er an einemfriend@public, der in Kooperation mit der GfK aufgestellt wurde, sofort Lob oder Tadel direkt am Bildschirm mittels Touch Screen äußern. Erste noch nicht repräsentative Marktforschungsergebnisse zeigen laut friendlyway Vorstand Bernhard Gutmann ein „besonders erfreuliches Phänomen”. 14 Prozent der Nutzer der neuen Multimedia-Technologien im Supermarkt sind über 40 Jahre alt, 11 Prozent sogar über 60 Jahre.

„Damit erreichen wir genau die Zielgruppe, die sich bisher bei der Internetnutzung sehr stark zurückgehalten hat”, berichtet erfreut Gutmann. Rewe-Verkaufsleiter Gunter Eberhardt, der bei der Realisierung des Marktes technisch federführend war, stellte nach nur acht Wochen fest: „Das ist eine unserer erfolgreichsten Markteröffnungen seit Jahren.”

Zurückzuführen ist dieses sicherlich nicht allein auf die multimediale Ausrichtung des Marktes. Hier ist es vorbildlich gelungen, stationären Handel und e-commerce zu verbinden. Selbstverständlich fehlen auch kundenorientierte Sortimente nicht.  Beispielsweise kann der Kunde sich an der  „Saftbar” mit frischgepressten Säften stärken.  Die immer größer werdende Anzahl von Single-Haushalten wird intensiv in der Sortimentspolitik berücksichtigt. Auch die Laden-öffnungszeiten sind flexibel, während der Expo sind sie den Bedürfnissen der Messegäste angepasst. Ziel und Firmenphilosophie der Münchener friendlyway AG ist die „Optimierung der Kundenorientierung”. Das von Klaus Trox und Andreas Stütz 1998 gegründete Unternehmen entwickelt, produziert und installiert interaktive Beratungssysteme für den Point of Sale und Point of Information. Damit will das Unternehmen die freundliche Kommunikation in der Öffentlichkeit weiter forcieren. Beispielsweise werden die Terminals auch in Fußgängerzonen, auf Flughäfen und Messen platziert.

Für das zweite Halbjahr dieses Jahres rechnen die Münchener bereits mit einem Umsatz von über acht Millionen Mark. Der Vorstand beurteilt die zukünftige Unternehmensentwicklung positiv:  für 2001 sind rund 28 Millionen Mark angepeilt. „Fragten Kunden früher nach reinen Hardware-Lösungen, um ihre eigenen Inhalte zu präsentieren, so beobachten wir einen wachsenden Trend hin zu komplexen Problemlösungen, die optimale Kommunikation mit Kunden und Konsumenten ermöglichen”, erläutert der Vorstand die Entwicklung.

Insbesondere der deutsche Lebensmittelhandel befinde sich in einer prekären Situation. „Er ist unprofitabel, ja verliert sogar Geld durch jahrelange Positionierung über den Preis allein und die daraus resultierenden Preiskriege.“

Service und Kauferlebnis werden vom Kunden honoriert

„Gegenüber dem Konsumenten besitzt er kein eindeutiges Profil und ist austauschbar”, weiß Gutmann. Einen Ausweg aus dieser Situation sei die Verbesserung des Kundenservices. Beispielsweise durch „Trading Up”-Konzepte, wie „Branding” der Ladenlokale durch höherwertige Anmutung, Warenpräsentation und Erlebnisshopping. Des Weiteren sei es notwendig, die Industrie in die Präsentation des Produktangebotes mit einzubeziehen. Vonnöten sei ebenso zusätzliche Beratung am PoS. Für das kommende Jahr ist der Börsengang geplant.

Mit diesem „Supermarkt der Zukunft” wird eindrucksvoll bewiesen, dass der Kunde Service und Kauferlebnis durchaus „honoriert”. Es bleibt zu hoffen, dass der deutsche Einzelhandel auf ganzer Breite begreift, dass der Preis als alleiniges Verkaufsargument, nur zu Lasten des Einzelhandel geht. Und nicht, dass es für viele Einzelhändler ein „böses Erwachen” gibt, wie Nestlé-Chef Peter Brabeck-Letmathe im Interview mit dem Magazin Capital (Ausgabe 18/2000, EVT 24.08.00) dem deutschen Einzelhandel aus seiner Sicht attestierte:

„Die Deutschen haben den miserabelsten Service Europas. Man macht den Fehler, den Preis als alleiniges Verkaufsargument zu sehen. Wenn mir heute noch jemand sagt, es sei eine Freude in Deutschland einzukaufen, dann war er halt noch nie in einem anderem Land.”

Man mache seit Jahren in Deutschland den Fehler, den Preis als alleiniges Verkaufsargument in den Vordergrund zu schieben, so Brabeck-Letmathe weiter. Zwar könne der deutsche Verbraucher Grundnahrungsmittel wie Zucker und Mehl sehr günstig kaufen. „Aber wenn ich mir Produktqualität, Auswahl und Service anschaue, sind die Deutschen im Vergleich zu Franzosen und Engländern ganz klar im Nachteil.”
Der deutsche Handel verkaufe sich seit Jahren unter Wert, so der Nestlé-Chef gegenüber Capital weiter. „In Deutschland kommt doch fast kein Händler über eine Umsatzrendite von einem Prozent. Deshalb haben sie auch sehr wenig Luft, wenn sie international aggressiv mitspielen wollen.” Das werde für viele Händler noch ein böses Erwachen geben, meinte Brabeck-Letmathe.