Die Marktbereinigung kommt gut voran Deutsche Bierkonzerne – Schrottplatz einer Branche?

von Stephan Kobes

Bierkonzerne gibt es überall auf der Welt, nur nicht in Deutschland. Was hier zu Lande mit diesem Anspruch auftritt, ist meist ein zusammengewürfeltes Firmen-Konglomerat ohne erkennbare Konzernstrukturen: tönern, heterogen, selbstzerfleischend und extrem gefährdet. Wir – Kirchgässler & Kobes – wittern System hinter der Sache: Es geht nicht ums Bier, sondern ums Ausschlachten abgehalfterter Unternehmen und Marken mit dem Nebeneffekt der überfälligen Marktbereinigung. Ein aktuelles Musterbeispiel lieferte gerade wieder das endlose Hick-Hack um Brau und Brunnen.

Ein Blick zurück: Nur mit Mühe rang sich der Sprecher aus dem Hause Schörghuber noch Mitte Juli gegenüber dpa das Bekenntnis ab, die Fusion zwischen Bayerischer Brau-Holding und Brau und Brunnen ziele stark auf den Bierbereich: „Das ist unsere Hauptmotivation.“ – Kommentar von Kirchgässler & Kobes: „Ein Schelm, wer schlecht darüber dachte.”

Die offizielle Lesart: Stefan Schörghubers Bayerische Brau-Holding sollte durch die Ehe mit Brau und Brunnen zum größten deutschen Getränke-Konzern aufsteigen. „Bestand hätte das wohl kaum gehabt“, kontern wir bayerischen Unternehmensberater, die wir wie immer eine etwas andere Sicht der Dinge bevorzugen, „wahrscheinlich wäre dabei das herausgekommen, was bei den bisherigen Akquisitionen des bulligen Bayern im Bierbereich gewöhnlich herauskam. Und dann hätten Holsten und Binding sowieso bald wieder die Spitzenpositionen einnehmen können.“

Inzwischen hat sich die Frage bis auf weiteres von selbst erledigt. Bei der Menge an Braustätten, die Schörghubers B(r)au-Strategen schon zu Vaters Zeiten aufgesammelt haben, müssten unter dem Strich der Bayerischen Brau-Holding etwas mehr Hektoliter stehen als die derzeit gehandelten 4,6 Millionen, um von echten Erfolgen im Biergeschäft zu sprechen. Erinnert sei nur an Hackerbräu AG und Pschorr-Bräu AG, München, Thurn & Taxis, Regensburg sowie Auer-Bräu, Rosenheim. Schlimmer noch beutelte es EKU, Mönchshof, Reichel und Sandler mit ihren diversen Töchtern – alles echte Weltmarken und nicht gerade Leichtgewichte im damaligen Wettbewerbsumfeld. Sie endeten kurzerhand im Eintopf der No-Name-Marke „Kulmbacher“, gerade noch tauglich für die Dosen- und Discountschiene. Im Gegensatz dazu taxieren Branchenkenner den Verkehrswert der angehäuften Immobilien in der Schörghuber-Gruppe inzwischen auf rund fünf Milliarden Mark.

Nicht viel anders pokern Konzernstrategen um einzelne Biermarken: „Ratsherrn Pils“ mit nachmals 200.000 Hektolitern das Nobelbier der Hamburger Gesellschaft und Flaggschiff der 1995 von Brau und Brunnen beerdigten Elbschloß-Brauerei, verkümmerte auf der Wanderschaft über Bavaria St. Pauli und die Stadt Hamburg bis zu Holsten zur virtuellen Randmarke von rund 90.000 hl ohne eigenen Sudkessel.

Inzwischen auf Druck des Kartellamtes an eine neu gegründete Ratsherrn Vertriebs GmbH weiterveräußert, suchte die pure Marke mit ihren 90 Prozent Gastronomieanteil nach einer Produktionsstätte außerhalb des Holsten-Imperiums. Wie der Branchendienst inside berichtet, ist die nun gefunden: in der Zweiten Schweriner Schloßbrauerei, Tochter des Tiefstpreis-Marktführers Oettinger. Hamburgs Schickeria, ohnehin nicht als Bierkenner verleumdet, wird’s egal sein: Hauptsache der Hochpreis am Tresen stimmt.

Doch Häme ist hier fehl am Platze, Deutschlands Brauer, die noch mit Leib und Seele dabei sind, sollten dankbar sein. Die „Schörghuberisierung” besorgt nichts anderes, als was längst überfällig war: Sie trocknet überflüssige Hektoliter aus, kehrt angestaubte Marken beiseite, bestattet entseelte Unternehmen und führt den Nachlass, sprich Gebäude und Grundstücke, einer neuen, lukrativeren Verwendung zu.

Wer erinnert sich noch an die Bierimperien von Reemtsma über Schickedanz bis März? Wir halten dagegen: Bier ist deutsch und Bier ist bayerisch. In Deutschland und noch viel mehr im Bierkompetenzland Bayern kommt das Bier von jeher aus kleinen Einheiten. Das und noch ein bisschen mehr sucht der deutsche Bierliebhaber hinter seinem Nationalgetränk. Sicher gibt es aus betriebswirtschaftlicher Sicht im Augenblick bessere Konzepte als gerade Brauereien. Doch das kann sich auch wieder ändern dank der beschriebenen Entwicklung. Denn nach teilweise zehn und mehr Generationen ist eine Brauerei ein Stück Kultur in ihrer Region. Und vielleicht sind es tatsächlich Idealisten, die mit 30 Jahren weitermachen und Bier brauen, statt ihren Grundbesitz zu veräußern. Der Verbraucher weiß das zu schätzen. Wer sich diese Stärken zu eigen macht, braucht die Marktbereinigung beim Bier nicht zu fürchten, behauptet das neue Thesenpapier, unter dem Titel „Lieber klein, aber fein – der Kannibalismus der Konglomerate”.

Strategie im Verdrängungswettbewerb

Eine Frage:
Wer braucht noch zehn oder mehr Nationale Biere wie Warsteiner, Krombacher, Bitburger, KöPi, Veltins oder Beck’s, wenn sowieso bald alle gleich schmecken und in vergleichbarer Positionierung daherkommen?

Eine Antwort:
Wo der Verbraucher keine nennenswerten Unterschiede mehr erkennen kann, fressen sich die Marken gegenseitig auf. Da helfen selbst die höchsten Werbe- und Sponsoringbudgets nicht mehr. „Ich bin doch nicht blöd,” sagt der Verbraucher und kauft mal wieder den nationalen Marken-Kasten, der gerade für 17 Mark zu haben ist. Einer von den zehn ist da ja immer dabei!

Das Märchen von der „Nationalen Marke”
„Und wenn sie nicht gestorben sind, dann …”- Ja, dann: Dann gehen sie in einem der Bierkonzerne auf, die munter in der deutschen Bierlandschaft vor sich hin wuchern: als beliebige Manövriermasse für Finanzjongleure, die häufig in anderen Geschäftsfeldern groß und reich wurden… Dazu unsere Thesen:

These 1
Die „Nationale Marke” hat sich überlebt
Mehr als sechs Millionen Hektoliter sind nicht drin: Im unlängst vergangenen Jahrhundert war’s, als erst- und letztmals eine deutsche Monomarke an der historischen Schallgrenze kratzte. Wer erinnert sich noch an das Jahr 1994, da Warsteiner mit 5.950.000 hl sein Allzeit-Hoch erklomm? Und schon damals machte die Scherzfrage die Runde, wer wohl als erster die 5-Mio-Marke erreiche: Warsteiner oder Krombacher?

Materialschlacht um 30 Mio Hektoliter
Nationale Marken haben in Deutschland ihre festen mengenmäßigen Grenzen. Mehr noch: Sogar das gesamte Massensegment der so genannten Premium-Marken, gerne auch umschrieben mit den „Top Ten” im deutschen Markt, zeigt seit vielen Jahren mit knapp 30 Mio. Hektolitern seine eigene Sättigungsgrenze auf (siehe auch unser Thesenpapier 1: „Nationale Marken – und der Rest?”). Die Folge: In der Materialschlacht der Premium-Marken fressen diese sich ständig immer wieder gegenseitig auf – Kannibalismus in Reinkultur!

Merke: Monomarken brauchen den Weltmarkt
Monomarken im Biergeschäft sind nur auf internationaler Ebene von scheinbar unlimitiertem Wachstum: Weil der Binnenmarkt der Niederlande zu klein war, ging klein Heineken in die Welt hinaus. Weil auch Dänemark zwar wackere, aber zu wenig Biertrinker hat, taten Tuborg und Carlsberg desgleichen. Weil sie und andere frühzeitig in den Weltmarkt gegangen waren, konnten daraus die bekannten, heutigen Biergiganten im globalen Maßstab entstehen.
Patentrezept: Konzern geht immer

Fazit:
Die „Nationale Marke” war für deutsche Brauer mit Hang zur Größe nicht mehr als eine Schutzbehauptung, weil sie den Weltmarkt verschlafen und jenseits der Grenzen keine Chancen mehr hatten. Abgelöst wird dieses überholte Rezept neuerdings durch ein auch nicht neues, aber kraft der neu gewonnenen Dynamik nicht minder zweifelhaftes: Clevere Bierstrategen suchen jetzt wieder die Marktführerschaft zunehmend in so genannten Konzernstrategien. Was soll das beim Bier?

These 2
Bier-Konglomerate mit Konzern-Etikett – eine Erfolgsgarantie?
Bierkonzerne gibt es überall auf der Welt, nur nicht in Deutschland. Was hier zu Lande mit diesem Etikett auftritt, ist meist ein Firmen-Konglomerat ohne echte Konzernstrukturen – tönern, heterogen, selbstzerfleischend. Vor allem aber extrem gefährdet: auf nationaler Ebene zum Sterben zu groß, im internationalen Maßstab zum Leben zu klein…
Die vollständige Redaktion finden Sie in unserer Printausgabe 11/12/2000