von Monika Busch
“Nestlé stillt nun auch den Durst der Armen”, lautete die Headline der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) in ihrer Ausgabe vom 24. Juli 1999. Bekannterweise wird von Leitungswasser zum Gebrauch als Trinkwasser in vielen beliebten europäischen Urlaubsländern und insbesondere in der “dritten Welt” mehr als abgeraten.
Die Folgen könnten Erkrankungen sein, die stellenweise auch zu Todesfällen führen können. Diesen Zustand will nun der weltgrößte Mineralwasser-Anbieter, der Schweizer Nahrungsmittelkonzern Nestlé beenden. Dem Bericht der FAZ zufolge, bietet das Unternehmen neben seinen Premiummarken nun ein preiswertes Trinkwasser unter dem Namen “Nestlé Pure Life” an. Preislich soll es so positioniert sein, daß nicht nur die Oberschicht, sondern auch die Mittelschicht in den Genuß des Wassers kommt. Wie die FAZ weiter berichtete, wurde das neue Produkt in Pakistan und Brasilien bereits eingeführt, China soll Ende 1999 folgen.
In Pakistan soll bereits ein Marktanteil von rund sechzig Prozent erreicht worden sein. Nicht nur mit der Namensgebung, sondern auch mit dem Etikett (eine jubilierende, dreiköpfige Familie – stilisiert) will der Konzern verdeutlichen, daß er Reinheit und Sicherheit für die gesamte Familie bietet – der Name ist Programm.
Soziales Engagement ist sicherlich nicht der Grund für den renditeträchtigen Konzern, eher ein gut durchdachter Schachzug. In Europa sind die Anteile an Mineralwasser kaum noch zu steigern (siehe Mineralwassermarkt 1998), der Markt hat eine Sättigung erfahren. Geprägt ist er zudem von enormen Preiskämpfen.
Die Verlagerung der Aktivitäten in die sogenannte “Dritte Welt” könnte durchaus mittelfristig sehr renditeträchtig sein. Kritiker beurteilen diesen “Vorstoß” alles andere als positiv. Argumentiert wird, so die FAZ, der Konzern bereichere sich an der Not der Armut, verleite die örtlichen Behörden weiterhin die Qualität des Leitungswassers zu mißachten und es könnten nun noch mehr Mütter vom Stillen abgehalten werden, da für das Milchpulver jetzt auch sauberes Wasser zur Verfügung stehe. Der Konzern weist diese Vorwürfe von sich, mit der Argumentation, daß die Menge des abgefüllten Wassers sehr gering sei und es noch lange dauern würde, bis ein großer Teil der Mittelschicht sich dieses Wasser leisten könne. Nun ja, vielleicht ist die Rendite nicht mittel- sondern langfristig anzusiedeln. Der Gerolsteiner Brunnen zeigt eine andere Präsenz in der Dritten Welt (dgw 6/99). Mit seiner Spendenaktion “111 Jahre Gerolsteiner – 111 Brunnen für Äthiopien” – die sehr wohl das Image fördern und Gerolsteiner in “aller Munde bringen” soll, will das Unternehmen Menschen dort helfen, wo täglich frisches Wasser eher eine Seltenheit ist. Mit dem Spendenaufkommen sollen mit der Hilfsorganisation “Menschen für Menschen” in Äthiopien lebenswichtige Brunnen gebaut werden.