BSI besorgt über Alkohol-Debatte

Spirituosen 1997 mit Absatz- und Umsatzeinbußen / Neues Büro in Brüssel

von Timur Dosdogru

“Kaum Grund zum Jubeln, aber weiter Chancen und Möglichkeiten, in diesem Markt erfolgreich zu sein”, sieht der Bundesverband der Deutschen Spirituosen-Industrie e. V. (BSI), Bonn, die Lage seiner Branche. Zwar übe sich der Verbraucher einerseits in neuer Bescheidenheit, suche aber andererseits Genuß, Erlebnis und Innovationen, so BSI-Präsident Harald Eckes-Chantré auf der Jahrespressekonferenz in Frankfurt. Für das Jahr 1997 meldet der Verband Umsatzrückgänge von 2,4 Prozent und Absatzrückgänge von 2,1 Prozent von Spirituosen im LEH. In den Regalen standen laut IRI/GfK rund zehn Millionen weniger Spirituosenflaschen als im Vorjahr. Knapp 6000 Arbeitnehmer sind in der deutschen Spirituosenindustrie beschäftigt, die Anzahl der Betriebe ging um fünf Prozent auf 109 zurück. Trotz allem gehören Spirituosen zur Top Ten der umsatzstärksten Warengruppen (GfK-Angabe).
Vorn in der Marktentwicklung liegen die traditionellen großen Segmente Weinbrand, Korn und Liköre/Softspirituosen. Wodka, Halbbitterliköre und Spezialitäten wie Ouzo, Grappa, Amaretto, Irish Whiskey, Gin/Genever, Moccaliköre und Tequila zählen zu den Gewinnern am Spirituosenmarkt in 1997.
Nach Aussage von Eckes-Chantré sollen vor allem aus der geplanten Osterweiterung neue Chancen und Herausforderungen erwachsen. Zwar seien die Steuer- und Zollsätze in einigen osteuropäischen Staaten bei den Ausfuhren immer noch außerordentlich hoch, andererseits zwängen die Vorgaben des GATT-Abkommens die Staaten zum Abbau ihrer Handelshemmnisse. Außerdem erwähnte der Präsident die Bedeutung eines zwischen der EU und den USA abgeschlossenen Spirituosenabkommens, nach dem alle WTO-Mitgliedsstaaten bis zum Jahr 2000 ihre Erzeugnisse zollfrei in die EU einführen können, wobei im Gegenzug die osteuropäischen Staaten ihre Zölle auf ein wettbewerbsverträgliches Maß senken müssen. Im vergangenen Jahr exportierten die deutschen Spirituosenhersteller aufgrund dieser Situation mit 104 Millionen Flaschen 43 Prozent weniger als im Vorjahr. Der Warenwert lag mit 500 Millionen Mark um 17 Prozent niedriger, weil die höherwertigen Produkte relativ besser abgeschnitten haben. Die Spirituoseneinfuhren nahmen um sechs Prozent zu. Das Gesamtangebot in Deutschland (Produktion plus Einfuhr minus Ausfuhr nahm nach vorläufigen Schätzungen um 28 Millionen Flaschen oder 3,6 Prozent ab und betrug insgesamt 749 Millionen Flaschen.
Im Spirituosenkonsum gleichen sich die neuen und die alten Bundesländer weiter an. Nach Angaben des Ifo-Instituts betrug der Pro-Kopf-Verbrauch 6,1 Liter, das sind 0,2 Liter oder 3,2 Prozent weniger als im Vorjahr. In den alten Bundesländern stagnierte der Pro-Kopf-Verbrauch mit sechs Liter auf dem Niveau der letzten Jahre, in den neuen Bundesländern ging er weiter auf sieben Liter zurück.
“Mit großer Besorgnis”, so Eckes-Chantré, verfolge der BSI die gegenwärtige gesundheitspolitische Diskussion zum Thema Alkohol. Die Angriffe richteten sich gegen die Erzeugnisse selbst und nicht gegen Mißbrauch von Alkohol. Leider werde in der öffentlichen Diskussion die notwendige Differenzierung zwischen maßvollem Alkoholkonsum und Mißbrauch nicht genug berücksichtigt. “Alkoholhaltige Erzeugnisse – gleich welcher Art – sind an sich nicht gesundheitsschädigend. Im Gegenteil, die positiven Auswirkungen eines maßvollen Alkoholgenusses auf die physische und psychische Verfassung des Menschen sind wissenschaftlich nachgewiesen”, stellte der BSI-Präsident die Verbandssicht klar. Außerdem sei es unbestritten, daß alkoholhaltige Getränke in Maßen genossen auch entscheidend zur Lebensqualität beitrügen. “Die Gefahren des Alkoholmißbrauchs”, so Eckes-Chantré, “müssen ernst genommen werden. Hierfür bedarf es einer sehr gezielten und differenzierten Bekämpfung der Ursachen des Alkoholmißbrauchs, anstatt alle diejenigen zu bestrafen, die vernünftig mit Alkohol umzugehen wissen.”
In diesem Zusammenhang verwies der Präsident auf das DIFA Forum, welches sich auf Initiative führender Hersteller und Importeure alkoholischer Getränke mit ganz gezielten Maßnahmen für einen verantwortungsvollen Umgang mit Alkohol einsetze.
Die Entwicklung am Spirituosenmarkt gebe noch keinen Anlaß zu einer Trendwende. Die Verbandspolitik habe man dieses Jahr unter das Motto “Qualität am Markt – Perspektiven der Zukunft” gestellt.
Außerdem soll der Verband in diesem Jahr umbenannt werden, er heißt künftig “Bundesverband der Deutschen Spirituosen-Industrie und -Importeure e. V. (BSI)”. Weil nationale Entwicklungen letztendlich immer von Brüssel bestimmt werden und die Globalisierung immer weiter voranschreitet, will der BSI zudem dort ein neues Büro einrichten, welches nach der Sommerpause offiziell eröffnet werden soll – wenn die Brüsseler Bürokratie mitspielt. BSI-Geschäftsführer Martin Kieffer soll die Betreuung des in der Rue de la Loi 81a, 1040 Brüssel, liegenden Büros übernehmen.