Bierkenner-Rad für bayrische Sortenvielfalt entwickelt

Vom Liebhaber zum Insider: Auf der Spur von Hopfen, Malz und Hefe

von Timur Dosdogru

Die bayerischen Brauer wollen den deutschen Biermarkt nicht länger kampflos der Sorte Pils überlassen. Die Ausstoßanteile von Pils außerhalb Bayerns werden immer größer, was für die bayerischen Brauereien ein Anlaß ist, auf die traditionelle heimische Sortenvielfalt zu setzen. Weizen- oder Weißbier, Helles, Dunkles, Bockbier und das überwiegend in Franken gebraute bayerische Pils sind nur die bekanntesten von rund sage und schreibe 40 Biersorten, die in Bayern gebraut werden und die sich auf rund 4000 Marken verteilen. Und alle diese Sorten werden aus nur vier Zutaten hergestellt, welche auch die übrigen Brauereien der Bundesrepublik getreu dem deutschen Reinheitsgebot verwenden dürfen: Wasser, Malz, Hopfen und Hefe. Allein schon beim Weizenbier sind die Sorten zahlreich genug: hell, dunkel, kristall und Weißbierbock, um nur einige zu nennen. Und dem großen Rest der biertrinkenden endverbrauchenden Republik dürften Sortenbezeichnungen wie Rauchbier, Kellerbier/Zwickelbier kaum ein Begriff sein.
In diesem Jahr wird in Bayern zum Angriff auf die zunehmende Bier-Vereinheitlichung in deutschen Landen geblasen, was außerdem in einer speziellen Werbekampagne zum Ausdruck gebracht werden soll (siehe dgw Juni ’98). Deutsche Premiumbiere, so heißt es (gemeint sind wohl eher die Pilsbiere), seien zwar exzellent, unterschieden sich aber kaum noch im Geschmack. Damit berufen sich die bayerischen Brauer auf eine Verkostung von zwölf der umsatzstärksten deutschen Premiumbiere, die ein bekanntes Wirtschaftsmagazin im November vergangenen Jahres durchführte. Hier sieht man in Bayern eine Gelegenheit, diese Geschmackslücke zu schließen, wie auch Dr. Fritz Ludwig Schmucker, Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Brauerbundes e. V., in München betonte. Damit die rund 700 bayerischen Brauereien diese Vielfalt stärker für die Vermarktung ihrer Biere nutzen können, hat der Bayerische Brauerbund das Bayerische Bierkenner-Rad entwickelt. Auf diesem werden 16 ausgewählte bayerische Biersorten genauestens beschrieben. Dabei finden sich nicht nur ausführliche Angaben zu Aussehen, Blume (Geruch) und Geschmack, sondern auch Angaben zu Stammwürze- und Alkoholgehalt. Durch einen “spielerischen Ansatz” in allgemein verständlicher Sprache soll der Verbraucher eine fundierte und differenzierte Bierkennerschaft erlernen.
Das Bierkenner-Rad, welches als Einstieg in die Bierkennerschaft eine “Kleine Bierkunde” beinhaltet, wurde jüngst in München bei einer Journalisten-Bierprobe vorgestellt. Für die fachliche Absicherung der verwandten Begriffe sorgte Professor Dr. Anton Piendl vom Institut für Brauereitechnologie und Mikrobiologie der Technischen Universität München/Weihenstephan, der mit Proben von im Bier enthaltenen Grund- und Rohstoffen die Begrifflichkeiten anschaulich deutlich machte. Durch seine typisierten Geschmacksbeschreibungen hilft das Bierkenner-Rad, eigene Geschmackseindrücke einzuordnen, mit anderen auszutauschen und mit den jeweiligen Sorten und Herstellungsverfahren zu verbinden. Bei der Auswahl einer beispielsweise obergärigen Biersorte finden sich auf dem Bierkenner-Rad durch Drehen desselben Geschmacksbeschreibungen wie “hefearomatisch” oder “fruchtaromatisch”. Um die geschmacklichen Auswirkungen des Hopfens zu erfassen, wurden Beschreibungen wie “dezente Hopfennote” (bei Bockbier) oder “ausgeprägte Hopfenbittere” (bei Pils) kreiert. Die unterschiedliche Malzbearbeitung wird mit Begriffen wie “malzbetont”, “leichte Karamelnote” und “röstaromatisch” ausgedrückt. Die Beschreibungen der Farbe des Bieres umfassen Begriffe wie “hell, blank “, “feurig, dunkel, blank”, “bernstein-opalisierend” und “bernstein bis dunkel”, um nur einige der interessantesten Bezeichnungen zu nennen.
Denn Farbe und Geruch sagen schon viel über ein Bier aus. Bei der Entwicklung des Bierkenner-Rades wurde besonderer Wert auf eine einfache und verständliche Darstellung gelegt.
Die Beschreibung der Biere wurde mit den führenden Brauspezialisten der Fakultät für Brauwesen der TU Weihenstephan und der Doemens Lehranstalten in München abgestimmt. Die ausgewählten Bezeichnungen helfen auch weniger versierten Bierliebhabern, sich in der Vielfalt der Biersorten schnell zurechtzufinden.
Eine ähnliche Idee wurde schon im vergangenen Jahr auf der Bundesweinprämierung der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft in Wiesbaden vorgestellt: das Weinaroma-Rad, mit dessen Hilfe Weine anhand der zahlreichen Geschmacksrichtungen und Aromenbeschreibungen eingeordnet werden können. Das Weinaroma-Rad setzt allerdings ein gewisses Fachwissen voraus, weil dabei zugrundegelegten Geschmacks- und Geruchsbeschreibungen dem Verkoster bekannt sein müssen. Beim Bierkenner-Rad hingegen kann man sich im wahrsten Sinne des Wortes mehr von seinem Riecher leiten lassen.
Brauereien wie auch interessierte Unternehmen aus Handel und Gastronomie können das Bayerische Bierkenner-Rad für ihre Eigenwerbung gegen einen Kostenbeitrag nutzen. Ab einer Bestellmenge von 500 Exemplaren ist ein individueller Absendereindruck möglich (nähere Informationen beim Bayerischen Brauerbund, München).

Kleine Bierkunde: Für Professor Anton Piendl besteht Bier aus den Elementen Körper, Geist, Würze und Seele

Für Professor Dr. Anton Piendl (Bild unten) vom Institut für Brauereitechnologie und Mikrobiologie der Technischen Universität München unterteilt sich das Bier in vier Elemente: Körper, Geist, Würze und Seele. Demnach ist Wasser der Körper und mengenmäßig der wichtigste Rohstoff des Bieres. Das Wasser wird meist aus Tiefbrunnen gewonnen, wenn nicht natürliches Quellwasser verwendet wird. Je nach verwendetem Wasser schmeckt jedes Bier schon deshalb anders, weil das Wasser die verschiedenen Salze aus dem Boden löst, vorwiegend Kalzium- und Magnesiumsalze. Die Brauer stellen an das Brauwasser zudem höhere Ansprüche als der Gesetzgeber beim Trinkwasser, was sich unter anderem in deutlich niedrigeren Nitratwerten niederschlägt. Das Brauwasser ist maßgeblich für die Würzeherstellung und Gärung. Pro Hektoliter fertiges Bier müssen 1,4 Hektoliter Brauwasser verwendet werden.
Der Geist des Bieres ist laut Piendl die Hefe, von der rund ein halber Liter für die Herstellung von einem Hektoliter Bier verwendet wird. Gleich ob ober- oder untergärig, wird die Würze, sprich die im Wasser gelösten Bestandteile von Hopfen und Malz, vergoren. Dieser Einfluß, ob mehr hefe- oder malzbetont, liefert eigentlich den grundlegenden Ansatz in vielfältigen Nuancen für die Bestimmung durch das Bierkenner-Rad.
Schnell lernt auch der Bier-Laie, daß untergärige Biere meist eher malzbetont, obergärige Biere dagegen eher hefeblumig schmecken und riechen. Die Würze des Bieres, nicht zu verwechseln mit der Stammwürze, ist nach Piendls Erläuterung der Hopfen, von dem 100 bis 300 Gramm pro Hektoliter Bier benötigt werden.
Im Bierkenner-Rad finden sich für die Beschreibung der Geruchs- und Geschmackseindrücke des Hopfens Begriffe wie “hopfenblumig”, “hopfenbitter”, “hopfenaromatisch”, “feinherbe, leichter oder stärker betonte Hopfenbittere” und “dezentes Hopfenaroma”. Zu guter Letzt ist für den Professor aus Weihenstephan das Malz die Seele des Bieres. Immerhin werden davon pro Hektoliter 17 Kilogramm benötigt, außerdem beeinflußt es alle Merkmale des Bieres: Schaum, Haltbarkeit, Farbe, Aroma, Geschmack und den physiologischen Genußwert.
Die Merkmale im Bierkennerrad für die Farbe reichen von “sehr hell” über “goldgelb”, “bernsteinfarbig” bis “dunkel” und “schwarz”. Die Aromabeschreibungen gehen über “malzblumig” und “feinwürzig” bis “würzig”. Der Geschmack wird mit Eigenschaften wie “malzbetont”, “reich an Malzkörpern”, “vollmundig”, “leicht bis stark malzaromatisch”, “leichte Karamelnote”, “röstaromatisch” und “rauchig” angegeben. Während der Präsentation des Bierkenner-Rades in der Waldwirtschaft Grosshesselohe bei München, bahnten sich bei einer Blindverkostung die Teilnehmer überwiegend alle einen sicheren Weg durch den Sorten-Dschungel.
Bei der zuletzt vorgestellten Bier-sorte, so waren sich die Teilnehmer einig, hätte man das Bierkenner-Rad nicht gebraucht. Dabei handelte es sich um ein bewußt ausgewähltes starkes Rauchbier, bei dem schon der erste Geruchseindruck Glauben machte, man habe die Nase in einen Holzkohleofen gesteckt. Das ist eben Vielfalt.