Bier-Special “Litfaß-Bier – Bier auf Papier” in Köln

Ausstellung der Sammlung Heinrich Becker zeigt Werbeplakate und andere Objekte rund um den Gerstensaft von der Jahrhundertwende bis heute

von Timur Dosdogru

Die alten Germanen, die den Vorläufer des heutigen Bieres tranken, den sie Met nannten, hätten sicher nicht gedacht, daß alles, was sich ums Bier dreht, in späteren Zeiten zu einem milliardenschweren Geschäft entwickeln würde. Bierwerbung begegnet uns heute täglich: auf der Straße, im Fernsehen, in der Zeitung, im Kino oder auch via Internet im Computer.
Der Beginn dieser Entwicklung wird dem Drucker Ernst Litfaß zugeschrieben, der im Jahr 1885 die erste gleichnamige Säule zum “Zwecke des Zettelaushanges” in Berlin aufstellte – das Zeitalter der Plakatwerbung hatte begonnen und der Weg für das Massenkonsumgut Bier war geebnet.
Zwar hat die Litfaßsäule bis heute nicht ausgedient und Plakatwerbung ist wieder stark im Kommen, aber Fernsehen, Kino und Printwerbung sind wohl dominierend. Ein deutscher Ingenieur und Unternehmer aus Berndorf in Oberfranken machte zudem mit seiner Erfindung der sogenannten Kältemaschine die Verbreitung des leicht verderblichen Gerstensaftes möglich: Carl von Linde. Damit konnte das empfindliche Gebräu auch über weite Strecken transportiert werden (“national distribuiert”, wie es heute so schön heißt). Werbeplakate mußten also auf die Litfaßsäulen, um dem Verbraucher das nicht-einheimische Bier nahezubringen.
Genau um solche Plakate dreht sich in diesen Tagen eine Ausstellung namens “Litfaß-Bier – Bier auf Papier – Historische Bierplakate” im Kölner Museum für Angewandte Kunst, die am Freitag, 8. Mai 1998, eröffnet wird. 250 Plakate zur Werbung für Brauereien, Biersorten, Biermarken, Bierfeste und ähnliches werden dort auf 600 Quadratmetern präsentiert. Sie stammen aus der Sammlung des Kölners Heinrich Becker. Der diplomierte Brau-Ingenieur und geschäftsführende Gesellschafter der Privatbrauerei Gaffel Becker & Co, Köln, ist leidenschaftlicher Sammler solcher Exponate. Die in der Ausstellung gezeigten Plakate aus der Sammlung Heinrich Becker stammen vorwiegend aus Deutschland, wie unter anderem auch aus Italien, Frankreich, England, der Schweiz und Österreich, und umfassen den Zeitraum von etwa 1885 bis 1970.
Seine Sammlerkarriere begann Heinrich Becker in seiner Studienzeit mit einigen eher wahllos zusammengetragenen Biergläsern, woraus sich im Lauf der Jahre eine ansehnliche Sammlung entwickelte, die heute in einem kleinen privaten Museum der Gaffel-Brauerei zu bewundern ist.
Bei Heinrich Becker dreht sich alles ums Bier. Mit seiner Brauereimarke Gaffel ist er seit Jahren Marktführer in der Kölsch-Gastronomie, im Museum kann er seiner Leidenschaft, der Sammlung, frönen. 15 Jahre brauchte Becker, um sie im heutigen Umfang zusammenzutragen und immer noch wird sie ständig erweitert. Die Bierplakate, rund 350 an der Zahl, machen davon den Hauptteil aus. Besonders von den Münchner Bierplakaten ist Becker ein Fan: das älteste Exponat ist ein Plakat für Münchner Löwenbräu aus dem Jahre 1890.
Ein weiterer Werbeträger waren mit zunehmender Bierwerbung im vergangenen Jahrhundert auch die Email-Werbeschilder, von denen Becker rund 650 aus Deutschland und Österreich sein eigen nennt.
Das älteste Schild stammt aus dem Jahr 1895. Diese Schilder hatten den Vorteil, daß sie rostfrei waren und die Farben nicht verblaßten. Zuvor gab es zwischen den Jahren 1875 bis 1895 Blechplakate, die aber nicht so langlebig waren. Durch die verbesserten Produktionstechniken hatte bis zum 2. Weltkrieg jede größere Brauerei Email-Werbung im Programm, die nach 1945 allmählich von der Leuchtwerbung verdrängt wurde. Glasplakate, die sowohl an Fassaden wie auch in Gaststätten als Werbemittel eingesetzt wurden, konnten sich auf Dauer nicht durchsetzen, weil ihre Herstellung teuer war und hohe Bruchgefahr bestand. Die Sammlung Heinrich Becker enthält neben Blech- und Glasplakaten einiger sehr seltener Biermarken unter anderem auch Bier- und Brauhauspostkarten aus verschiedenen Epochen. Sie bilden eine komplette Dokumentation der Kölner Brauhäuser seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Solche Postkarten waren ihrer Zeit ein beliebtes Statussymbol. Aufgrund der hohen Konkurrenz unter den Gaststätten, überschlugen sich die Wirte mit Ideen zu neuen Motiven, nach dem Motto: “Je schöner, je dekorativer, um so besser.” Besonderer Wert wurde stets auf die Abbildung des Gebäudes gelegt, wobei es mancher in seiner Schwärmerei für sein Haus mit der Größe nicht so genau nahm.
Die Folge war, daß manches kleine Häuschen auf der Postkarte in wundersamer Weise plötzlich zum noblen Prunkbau avancierte.
Stattlich in Beckers Sammlung sind zu guter Letzt auch die Trinkgefäße vertreten: 650 Glasflaschen, 30 Steinzeug-Krugflaschen, 2500 Steinzeug-Bierkrüge, 240 Keramik-Bierkrüge, 2000 Glaskrüge und natürlich Biergläser.
Die Kölschgläser, wen wundert’s, sind natürlich der vollständigste Teil der Sammlung Heinrich Becker, dessen Traum ein Braumuseum mit historischer Hausbrauerei nebst Gaststube ist, wo nach einer Besichtigung der Theorie die Bier-Praxis folgen kann. Daß der Berliner Drucker Litfaß der Namenspatron für die Kölner Ausstellung ist durchaus passend.
Mit Werbeplakaten war er in seinem Berufsleben besonders verbunden. Nach der Erfindung der Litfaßsäule, die eigentlich nur das wilde Plakatieren verhindern sollte, wurde Litfaß 20 Jahre später zum Königlichen Hofbuchdrucker ernannt, wo er in seiner “Lithographischen Anstalt” das angeblich erste mehrfarbige Werbeplakat Deutschlands hergestellt haben soll.
Schon 1849 hatte Litfaß für die Berliner Industrieausstellung mit sechs mal neun Metern ein für damalige Zeiten unvorstellbar großes Plakat gedruckt.
Die bunten Bilder der Bierwerbung hätten bestimmt die Zustimmung des Plakatmeisters Ernst Litfaß gefunden, argumentieren die Ausstellungsveranstalter, weil Litfaß selbst gerne riesige Feste gefeiert und den Erlös für wohltätige Zwecke gespendet habe. Die fröhlichen Motive mit begeisterten und gemütlichen Bierfreuden spiegelten genau Litfaß’ Lebensstil wider, sind sich die Initiatoren einig.
Die Ausstellung “Litfaß-Bier – Bier auf Papier” läuft bis zum 2. August diesen Jahres. Dazu erscheint im Verlag PlakatJournal das erste Bildhandbuch, herausgegeben von Gerhard Dietrich.
Es umfaßt rund 230 Seiten mit 260 Farbabbildungen und drei Aufsätzen zur Sammlung Heinrich Becker. Der Preis für die Softcover-Version beträgt DM 48,00; die gebundene Ausgabe ist für DM 78,00 im Buchhandel erhältlich.
Zur Ausstellung werden im Museum Plakatreproduktionen, Postkarten, ein Museumsbier und das Ausstellungsglas angeboten, wie auch Ausstellungs- und Biersouvenirs.
Zu beziehen sind Bücher und Reproduktionen der Plakate und Postkarten auch über die Agentur Precom Kommunikation, Prinz-Georg-Straße 9, 40477 Düsseldorf, Postfach 32 08 50 (Tel. 02 11 / 48 43 83, Fax 02 11 / 94 81 227).