Grässle-Kongress “Die Kunststoffmehrwegflasche: Wettbewerbssicherung oder Isolierung der deutschen Getränkeindustrie?” Spagat zwischen Umweltschutz und Wirtschaftlichkeit

von Monika Busch

Die deutsche Erfrischungsgetränkeindustrie ist in Deutschland als Wirtschaftsfaktor von erheblicher Bedeutung. Die traditionellen Erfrischungsgetränke sind Limonaden, Fruchtgetränke und Brausen. Die Branche klagt derzeit jedoch über zusätzliche Belastungen, insbesondere bei Marketing- und Investitionsentscheidungen, die aus der allgemeinen Unsicherheit über die weitere Haltung der Bundesrepublik in Sachen Umwelt- und Verpackungspolitik resultierten.
Nach wie vor sei nämlich unklar, welchen Weg die Bundesregierung bei der Novellierung der Verpackungsordnung im Bereich der Getränkeverpackungen einschlagen werde.
Einerseits halte die EU-Kommission die deutschen Mehrwegquoten nicht für EU-vertragskonform, andererseits forderten die Bundesländer deren weitere Verschärfung. Mehrweg müsse aber in jedem Fall für die Zukunft weiter gesichert bleiben.
Dieses erklärte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Erfrischungsgetränke-Industrie e.V. (BDE), Carl J. Bachem. Indessen räumte Bachem jedoch ein, daß es wie in der gesamten Getränkewirtschaft so auch in seiner Branche über den “richtigen verpackungspolitischen Weg” unterschiedliche Meinungen gebe. Seine Branche setzt bereits seit 1990 mit großem Erfolg Kunststoff-Mehrwegflaschen ein und sei auch 1995 mit kunststoffbeschichteten Mehrwegflaschen aus Glas gestartet.
Die Branche der Mineralbrunnenindustrie in Deutschland ist ein wachsender Wirtschaftszweig. Mit einem jährlichen Pro-Kopf-Verbrauch von 92 Litern Mineralwasser liegen die Deutschen auf Platz Drei im europäischen Vergleich. 244 Mineralbrunnen und rund 500 Quellen sprudeln um die “Gunst” des Verbrauchers.
Die Genossenschaft Deutscher Brunnen e. G. (GDB) mit rund 240 angeschlossenen Brunnen ist als zentrale Einkaufsorganisation der deutschen Brunnenbranche zu betrachten.
Das Kernsortiment des GDB besteht aus Mehrwegflaschen, sogenannten Brunneneinheitskästen und Flaschenverschlüssen. Die unbedingte Mehrwegfähigkeit aller Flaschen und Kästen ist für den GDB “das Maß aller Dinge”.
Mit über 2,4 Milliarden Glasmehrwegflaschen bildet der GDB-Pool den größten Mehrwegpool für Mineralwasser in Europa. Dem absoluten Klassiker der “Perlenflasche” folgen nun die leichte PET-Mehrwegflasche sowie eine beschichtete Leichtglasflasche.

Konzentration in der Brunnenbranche

Der verschärfte Wettbewerb und das veränderte Konsumverhalten
stellen immer härtere Anforderungen. Die Folge ist eine beschleunigte Konzentration. Der Mineralwasserverbrauch stagniert auf einem hohen Niveau, Zuwächse werden zur Zeit nur noch mit sogenannten “Innovationen” erreicht. Die regionalen Brunnen, falls sie nicht in einer Nische präsent sind, verlieren Marktanteile, verbunden mit der “Überlebensfrage”. Die Kunststoff-Mehrwegflasche hat seit 1990 rasante Zuwachsraten. Wurden 1990 noch 185 Millionen Liter in der Kunststoff-Mehrwegflasche abgesetzt, sind es 1995 bereits 1.948 Millionen Liter. Hingegen beträgt der Absatz bei Mineral-/Tafelwasser 68 Millionen Liter (1995), das entspricht einem prozentualen Anteil von ca. 1,5 Prozent. Der Einsatz von PET-Mehrwegflaschen bei Mineralwasser ist in Deutschland noch nicht möglich, jedoch lediglich eine Frage der Zeit. Die technologischen Weiterentwicklungen bezüglich höherer Gasdurchlässigkeit, Geschmacksneutralität und Reinigungsmöglichkeit entsprechen zur Zeit noch nicht den gesetzlichen Anforderungen.

Umweltproblematik und Ökobilanz

Ökobilanzen können eine Orientierungshilfe im unternehmerischen Entscheidungsprozeß sein. Sie betrachten die Gesamtheit des Produktlebensweges von der Herstellung, über die Nutzung bis zur Entsorgung, verbunden mit umweltrelevanten Auswirkungen.
Studien bestätigen der PET-Flasche eine positive Ökobilanz, welches aber konträr angenommen wird. Das Fraunhofer-Institut kommt zu dem Ergebnis, daß PET als Material unbedenklich ist und im Vergleich zur herkömmlichen Glasmehrwegflasche bis zu einem Distributionsradius von 400 km ökologisch überlegen ist.
In der Ökobilanzierung wurden die spezifischen Produktions- und Logistikstrukturen eines führenden Mineralbrunnen berücksichtigt.
Unter den vorgegebenen Strukturen weist die PET-Mehrwegflasche gegenüber dem Glasmehrwegsystem signifikante ökologische Vorteile gegenüber dem Glas-Mehrwegsystem aus.
Das Fraunhofer-Institut stellte fest, daß deutliche Einsparungen im Ressourcenverbrauch und emissionsseitige Entlastungen der Umwelt durch die Einführung des Ein-Liter-PET-Mehrwegsystems realisierbar sind. Unter sonst gleichen Bedingungen, bezogen auf den Transport und den damit verbundenen Umweltlasten, wird ein ökologischer Gleichstand zwischen Glas- und PET-Mehrwegsystem bei einer einfachen Transportentfernung von 150 km bei Glas und etwa 400 km bei PET erreicht.

Probleme und Nachteile bei PET

Zur Zeit gibt es nur einseitige Abfüllmöglichkeiten. Die Flaschen können immer nur mit demselben Getränk wieder befüllt werden.
Die Umrüstung auf das PET-System erfordert hohe Investitionen — für kleinere und mittlere Betriebe oft eine Frage der Existenz. Die Bepfandung ist relativ hoch, ein entscheidendes Kriterium für den Verbraucher.
Als Alternative zu PET gibt es u. a. die beschichtete Leichtglasflasche, deren Gewicht zwar deutlich höher ist als die PET-Flasche, aber auch deutlich niedriger als die herkömmliche Glasflasche.
Für die Leichtglasflasche sind keine neuen Abfüllanlagen erforderlich, ein sicherlich zu beachtender Aspekt. Voll recyclingfähig und bruchsicherer als Glas gibt es mit der Leichtglasflasche keinerlei Probleme mit dem Wiederbefüllen.

Die Verpackungsverordnung

Zahlen des Umweltministeriums, Bonn für 1995 belegen, daß bundesweit die vorgeschriebene Mehrwegquote von 72 Prozent nicht unterschritten wurde, jedoch die Pflichtquote in einzelnen Bundesländern. Die Verpackungsordnung fordert jedoch eine Mehrwegquote. Einweggebinde nehmen seit Jahren zu. Die GfK prognostiziert, daß 1996 erstmals die Mehrwegquote unterschritten wird. Obwohl aufgrund des Verbraucherverhaltens davon ausgegangen wird, daß der LEH langfristig die Kunststoff-Mehrwegflasche forcieren wird.

Die PET-Flasche als Wettbewerbsfaktor

Durch die mögliche Erhöhung des Distributionsradius wird der Aufbau nationaler Marken stark begünstigt, zum Nachteil von regionalen Marken.
Auch der Import von ausländischen Marken wird durch die PET-Mehrwegflasche stark begünstigt, da das “Auge” des Verbrauchers sich an Kunststoff-Mehrwegflaschen gewöhnt hat. Nur 9,4 Prozent der importierten Getränke sind zur Zeit in Mehrwegflaschen abgefüllt. Die Getränkeunternehmen müssen sich hier den veränderten Marktbedingungen stellen und sich klar positionieren. Die großen Unternehmen sind hier sicherlich im Vorteil, durch einen gezielten Auf- und Ausbau ihrer Markenartikel. Hingegen die mittleren Betriebe sich nur positionieren können, in dem sie den regionalen Markt absichern und unter bestimmten Voraussetzungen (Finanzkraft, Marketing, Vertrieb) auch überregional in den Markt vordringen. Die kleineren Anbieter sind nicht in der Lage auf PET umzustellen. Entweder konzentrieren sie sich auf Nischensegmente oder gehen Allianzen ein. Regionale Markttrends sind ein Vorteil für regionale Anbieter, da sie in der Regel schneller und flexibler auf den Markt reagieren können.

Forum PET

Im März diesen Jahres wurde das Forum PET ins Leben gerufen, ein internationaler Zusammenschluß von Firmen, die den Kunststoff Polyethylenterephthalat-PET- herstellen, verwenden oder recyceln. Zielsetzung des Forums ist es über das Anwendungsspektrum, die Vorzüge und die Umweltfreundlichkeit von PET zu informieren.

PET-Flasche trägt zur weiteren Konzentration bei

Aufgrund der zukünftigen Verschärfung des Wettbewerbs werden viele Unternehmen ein Opfer des Konsolidierungsprozesses.
Die PET-Mehrwegflasche ist nicht allein der Auslöser dieser Entwicklung, aber jedoch ein “Beschleunigungsfaktor”.
Finanzstarke Unternehmen haben die Möglichkeit unter den “Ersten” zu sein.
Somit wird die Marktposition verbessert und weiter ausgebaut. Mitbewerber werden gezwungen sein ebenfalls einzuführen, um ihren “Markt” zu verteidigen.
Jedoch, die Gebindepolitik ist nicht allein für die Präsenz und den Erfolg eines Unternehmens entscheidend. Vielmehr hängt der Erfolg von kundenorientierten Innovationen und der effektiven Gestaltung der Prozesse ab. Welche Verpackungsform letztlich gewinnt, wird der Konsument entscheiden.
Allerdings nur unter den angebotenen Varianten und diese werden von der Industrie im Markt vorgegeben.

Neueste Erkenntnisse

Eine am 7.November 1996 in Düsseldorf von der Fachvereinigung Behälterglas e.V. veröffentlichte Ökobilanz des Fraunhofer Instituts, München weist deutliche Vorteile der Glasverpackung gegenüber PET nach. Trotz nach wie vor bestehender Gewichtsunterschiede wurden für Glas jetzt deutliche Vorteile ermittelt. Der Energieverbrauch, so das Fraunhofer Institut liege bei der beschichteten Leichtglas-Mehrwegflasche um 18,9 Prozent unter dem Verbrauch der Kunststoffflasche. Dieses Ergebnis wurde bestimmt durch die höhere Anzahl der Umläufe (Wiederbefüllungen) sowie die hohe Recyclingleistung. Berechnungsgrundlage war die aktuelle regional gegliederte Anbieterstruktur im Brunnenmarkt und somit ein Radius, in dem die Gewichtsvorteile der PET-Flasche kaum zum Tragen kommen. Erstaunt war die Glasindustrie über die Tatsache, daß selbst die 25 Jahre alte Brunnen-Perlenflasche noch eine deutlich bessere Energiebilanz als die Kunststoffflasche aufweist.

Quellennachweise:
Vorträge, gehalten anläßlich des Grässle Kongresses am 10. September 1996 in Frankfurt,
Veranstalter Grässle Adavanced Technologies, Teilnehmerzahl 120
Andrew Hampp, Mitglied der Geschäftsleitung Roland Berger & Partner
Dr. Ing. Gertraud Goldhahn, Fraunhofer-Institut für Lebensmitteltechnologie und Verpackung
(Fh-ILV), Freising
Thomas M. Bauer, Geschäftsführer A.C.Nielsen GmbH
Studie Fraunhofer-Institut